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Asterix Latinus - Asterix auf Latein

Zur Geschichte der lateinischen Comics oder die Geburt des lateinischen Asterix

 
Die Idee, Bestseller der Kinder- und Jugendliteratur ins Latein zu übersetzen, ist nicht neu: Schon in den 50er Jahren übertrug der italienische Priester und Lateinlehrer
Enrico Maffacini
die Abenteuer Pinocchios unter dem Titel
Pinoculus
ins Latein. Um dieselbe Zeit veröffentlichte der ungarische Latinist
Mogyorssy
eine lateinische Fassung von Daniel Defoes
Robinson Crusoe
. 1960 übersetzte
Alexander Lenard
das englische Kinderbuch
Winnie-the-Pooh
unter dem Titel
Winnie ille Pu
ins Latein, 1964 folgte
Clive Harcourt Carruthers
mit
Alicia in terra mirabili
, der lateinischen Version von
Lewis Carrols
Alice in Wonderland
. Der lateinische
Struwwelpeter
(
Petrulus Hirsutus
) und erst recht die bei Artemis erschienene lateinische Übersetzung von
Wilhelm Buschs
Max und Moritz
können als unmittelbare Vorläufer lateinischer Comics bezeichnet werden, zumal der amerikanische Zeichner
R. Dirks
, der Schöpfer der ersten amerikanischen Comic-Serie
The Katzenjammer Kids
(1897ff), eindeutig von Busch inspiriert ist.
 
Die erwähnten lateinischen Übersetzungen waren allerdings eher für Lateinkenner, weniger für den Gebrauch im Unterricht gedacht: Sie ließen sich sprachlich kaum mit den Zielen des Lateinunterrichts an deutschen Gymnasien vereinbaren, vor allem da sie in Wortwahl und Grammatik nicht am klassischen Latein orientiert waren.
 
Das änderte sich in den 70er Jahren. Artemis brachte zusammen mit dem Zeichner Oberst 1971 eine Plautuskomödie und 1975 eine
Terenzkomödie
in Comicform heraus. Diese Comics waren auch im Latein-Unterricht einsetzbar, da die Sprechblasen und redaktionellen Kästchen mit Originallatein gefüllt waren. Leider haben diese Versuche einige Mängel. Sie sind kleinformatig, die Zeichnungen durchgehend schwarz-weiss und die Sprechblasen sind oft so riesig, dass sie die Zeichnungen geradezu erdrücken. Außerdem ist zweifelhaft, ob die recht derben Scherze der römischen Komödie jungen Lesern von heute mehr als ein herzhaftes ‚‚Gähn!‘‘ entlocken können.

 
Die Zeit war reif für den lateinischen Asterix. Der erste Band verdankt seine Entstehung der Verzweiflung eines frustrierten Lateinlehrers. Irgendwann im Jahre 1971 kam ich ziemlich genervt aus der Lateinstunde einer 10. Klasse eines Münchener Gymnasiums. Wir versuchten, Cäsars
De Bello Gallico
zu lesen. Die Schüler hatten sich darauf gefreut. Drei Jahre hatten sie sich mühsam die Grundlagen der lateinischen Grammatik angeeignet, hatten sich Formen und Vokabeln reingezogen - immer im Blick auf das Fernziel ‚‚Lektüre einer Ganzschrift im Original‘‘. Als nun die Ernte eingefahren werden sollte, kam die große Enttäuschung. Im Lehrbuch war alles so wohlgeordnet. Man wusste: jetzt ist das Gerundium oder das Partizip Präsens dran, und irgendwann hatte man es mit Deponentien, Semideponentien oder anderen zu tun. Die dazugehörigen Sätze waren von den Lehrbuchverfassern so ausgedacht, dass man die gerade behandelten Phänomene handlich darin wiederfand. Cäsar hielt sich nicht an die Ordnung der Lehrbuchsätze. Hatten sie schließlich seine langen Satzperioden in mühsamer und zeitraubender Kleinarbeit entwirrt und versuchten ihrer holperigen Übersetzung einen halbwegs einleuchtenden Sinn zu entlocken, kam die nächste Enttäuschung:  es ging ständig um Kriege, Belagerungen und Schlachtengetümmel, nicht gerade eine jugendgerechte Thematik. Nach einigen Stunden standen die Jugendlichen voll unter dem sogenannten Lektüreschock. Die urige Geschichte von den Elchen in den germanischen Wäldern, deren Beine laut Cäsar keine Gelenke hatten, sodass sie im Stehen schlafen mussten und von den Jägern durch Ansägen ihrer Schlafbäume erlegt werden konnten, war im Lektüreplan erst für später vorgesehen. Sie sorgt, wenn sie überhaupt gelesen wird, nur für eine kurze Unterbrechung des Kriegsgeschehens.

 
Im Lehrerzimmer klagte ich mein Leid einem Fachkollegen, der in einer anderen Klasse genau das Gleiche erlebte. Ein Französischkollege, der unser Gespräch zufällig mitbekam, berichtete uns, er kenne dieses Problem nicht, seit er die Hefte der Asterix-Reihe im französischen Original lesen lasse. Die Schüler seien mit großem Vergnügen bei der Sache. Die Asterixwelle hatte damals ihren Höhepunkt erreicht. Man erzählte sich, dass die Hochschuldozenten in ihren Veranstaltungen zu gewissen Zeiten einen erstaunlichen Konzentrationsmangel und rätselhaftes Kichern ihrer Hörer registrierten. Die Erklärung war recht simpel: Die Studenten lesen während der Vorlesung unter der Bank den neuesten Asterixband.
Wir - mein Lateinkollege und ich - schauten uns an und hatten denselben Gedanken: Warum gibt es die Asterixbände nicht auf Latein? Eine Übersetzung ins Lateinische würde sich geradezu anbieten. Alle Abenteuer der beiden Gallier  spielen zur Zeit Cäsars. In jedem Band kommen römische Legionäre vor. Cäsar und Vercingetorix treten auf, Paris heißt wie in der Antike Lutetia, und es gibt lateinische Zitate en masse. Natürlich war uns klar, dass eine lateinische Asterixlektüre keinesfalls die Lektüre lateinischer Autoren im Original ersetzen könnte. Und dass - zugegeben - die Geschichte etwas zurechtgebogen war, da die sieggewohnten Römer hier permanent eine aufs Dach kriegen. Nun ja, man müsste die Asterix-Comics halt kritisch lesen. Hauptsache, die Schüler werden motiviert - dies war ja unser Hauptproblem. Ausgewählte Asterix-Exzerpte müssten doch eine gute Hinführung zum echten Cäsar sein, oder? Vielleicht könnte der Zaubertrank des Druiden die gestressten Schüler wieder motivieren!?
 
Wir kamen überein, einen entsprechenden Vorstoß beim Ehapa-Verlag in Stuttgart zu machen, der die Lizenzrechte für die deutschen Ausgaben hatte. Dort reagierte man ziemlich cool. Ja, zwei Dozenten von der Pariser Sorbonne hätten schon mal den Vorschlag gemacht. Aber der Verlag hätte dieser ‚‚Schnapsidee‘‘ keine größere Bedeutung beigemessen, da das Interesse wohl eher gering sei. Man würde wahrscheinlich einen Ladenhüter produzieren. So kam es, dass ich etwa ein Jahr korrespondieren und telefonieren musste, bis Ehapa einen Übersetzervertrag mit mir abschloss, der folgende Bedingungen enthielt:

·Die Übersetzung muss grundsätzlich aus dem französischen Original erfolgen, weil schon bei der Übersetzung ins Deutsche viel vom Wortwitz der Asterixalben verloren gegangen ist.
·An geeigneten Stellen hat der Übersetzer die Freiheit, zusätzlich Gags, passende lateinische Sprichwörter und Zitate einzubauen.
·Das Latein soll möglichst einfach, jedenfalls einfacher als das Cäsars sein, dabei aber so ‚‚cäsarisch‘‘ wie möglich.
Diese Leitlinien ergaben sich aus dem Grundkonzept: der Asterix Latinus sollte als Übergangslektüre nach der Spracherwerbsphase den Lektüreschock durch eine vereinfachte und zugleich motivierende Vorwegnahme des Cäsarlateins vermeiden helfen. Zu diesem Zweck wurden nach Möglichkeit Vokabeln und Phrasen gewählt, die bei Cäsar belegt sind. Auf überlange und komplizierte Satzgebilde wurde verzichtet. Andererseits sollten alle bei Cäsar häufiger vorkommenden grammatischen Phänomene vertreten sein wie die nd-Formen, Partizipial- und Infinitivkonstruktionen, die verschiedenen Gliedsätze etc.
1973 erschien endlich der erste Asterix Latinus mit dem Titel
Asterix Gallus
(
Asterix der Gallier
), der schon nach wenigen Wochen vergriffen war. 1986 musste dieser Band bereits zum 7. Mal aufgelegt werden. Die Verlagsleitung war von diesem unerwarteten Erfolg so begeistert, dass ich den Auftrag erhielt, alle Bände ins Lateinische zu übersetzen. Inzwischen gibt es 23 lateinische Asterix-Bände. [hier Link zu den 23 Titeln
[1.Asterix Gallus (Asterix le Gaulois/Asterix der Gallier)
2.Falx aurea (La Serpe d´Or/Die goldene Sichel)
3.Asterix apud Gothos (Asterix et les Gothes/Asterix und die Goten)
4.Asterix gladiator (Asterix Gladiateur/Asterix als Gladiator)
5.Iter Gallicum (Le Tour de Gaule/Tour de France)
6.Asterix et Cleopatra (Asterix et Cleopatre/Asterix und Kleopatra)
7.    Certamen principum (Le Combat des Chefs/Der Kampf der Häuptlinge)
8.Fossa alta (Le Grande Fosse/ Der grosse Graben)
9.Asterix apud Britannos (Asterix chez les Bretons/Asterix bei den Briten)
10. Odyssea Asterigis (L’Odyssee d’Asterix/Die Odyssee)
11. Asterix et Normanni (Asterix et les Normands/Asterix und die Normannen)
12. Filius Asterigis (Le Fils d’Asterix/Der Sohn des Asterix)
13. Asterix legionarius (Asterix Legionnaire/Asterix als Legionär)
14. Clipeus Arvernus (Le Bouclier Averne/Asterix und der Avernerschild)
15. Asterix Olympius (Asterix aux Jeux Olympiques/Asterix bei den olympischen Spielen)
16. Asterix atque olla Cypria (Asterix et le Chaudron/Asterix und der Kupferkessel)
17. Asterix in Hispania (Asterix en Hispanie/Asterix in Spanien)
18. Asterix orientalis (Asterix chez Rahazade/Asterix im Morgenland)
19. Tumultus de Asterige (La Zizanie/Streit um Asterix)
20. Asterix et Maestria (La Rose et le Glaive/Asterix und Maestria)
21. Navis actuaria Obeligis (La Galère d’Obelix/Obelix auf Kreuzfahrt)
22. Asterix et Latraviata (Asterix et Latraviata/Asterix und Latraviata)
23. Asterix apud Helvetios (Asterix chez les Helvétes/Asterix bei den Schweizern)
[geplant: Laurea Caesaris (Les Lauriers de César/Die Lorbeeren Cäsars)]]

 
Die Verwendung eines Asterix-Comic im lateinischen Lektüreunterricht hat mehrere Vorteile. Die Bilder fördern das Verständnis des Textes dadurch, dass sie jeweils den situativen Kontext bieten, der sonst
verbal hergestellt werden müsste. Die vorausschauende Vermutung wird durch das Bild in eine bestimmte Richtung gelenkt, die durch genauere Prüfung des Textes bestätigt oder korrigiert wird. Dadurch wird der Vorgang des Übersetzens verkürzt. Allerdings sind handwerkliche Fähigkeiten sorgfältige Formenanalysen oder das Erkennen von Wortblöcken und Satzstrukturen weiterhin notwendig, aber das Durchhaltevermögen der jugendlichen Übersetzer dürfte durch die Faszination des Comic erheblich gesteigert werden. Motivierend dürfte sich ferner die Erfahrung auswirken, dass Latein keineswegs eine tote Sprache ist, in der würdige Römer uns feierlich über eine vergangene Welt belehren. Im Gallien des ersten vorchristlichen Jahrhunderts wird auf lateinisch gelacht, geflucht, geschwitzt und geprügelt. Auch moderne Ausdrücke wie
Sesselfurzer
(
grapheocrates
) oder
Saltimbocca
(
coticulae
in buccam salientes
) können problemlos übersetzt werden.
Ein weiterer Vorteil für den Lateinunterricht ist die von Uderzo gekonnt gezeichnete antike Welt. Während der Plot jeweils frei erfunden ist und die Personen teilweise grotesk verzerrt sind, sind Triumphbögen, das Forum Romanum, Brücken, Viadukte, Thermen, römische Kleidung und römische Waffen, also all das, was man unter Realien versteht, originalgetreu dargestellt. Es gibt zwar in dieser Hinsicht eine Fülle von getrennt erscheinendem Material, das aber den Nachteil hat, dass die Lateinlehrenden es jeweils in Privatinitiative beschaffen müssen und dem leider oft ein Hauch von belehrender Trockenheit anhaftet. Im Asterix Latinus werden die Realien sozusagen en passant mitgeliefert. Auf unaufdringliche Weise erfähren die Leser/ Betrachter, wie römische Häuser, Grabsteine, eine sella curulis, ein Meilenstein oder eine Kutsche ausgesehen haben.
Hier geht´s zu den Besprechungen von
Lüthje
und
Ries
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